Loriot – Mein Lehrmeister
Er wird immer unvergessen bleiben. Der erste eigene Hund.
Der Hund, der mich durch so viele Phasen meines Lebens begleitet hat. Mit, wegen und über den ich viel gelacht aber auch geweint habe.
Über 15 Jahre an meiner Seite. Fast mein halbes Leben. Mit 9 Monaten bei uns eingezogen und geblieben bis zu seinem letzten Atemzug mit 16 Jahren und 2 Monaten. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr hier ist.

Loriot noch im Tierheim
Loriot kam als witziger, junger Hund aus dem Tierheim zu uns. Mein Vater hatte ihn im Tierheim Wiesbaden entdeckt – ein unscheinbarer, zu groß geratener Dackel – oder auch ein Mischling aus Alpenländischer Dachsbracke und Hannoverschem Schweißhund. Er war der einzige Hund im Tierheim, der nicht gebellt hat. Das machte ihn neben seinem ulkigen, unförmigen Aussehen sehr sympathisch. Etwa 9 Monate war er alt, als er am 29. Dezember 2009 bei uns einzog. Er sollte unser Familienhund sein. Und damit begann unsere gemeinsame Reise.
Als er zu uns kam stand er am Beginn seiner pubertären Phase. Er testete extrem seine Grenzen, insbesondere bei meiner Mutter.
Ich erinnere mich gut an unseren ersten Spaziergang. Durch meine vielen Pflegehunde hatte ich schon einiges an Erfahrung sammeln können. Allerdings sprengte Loriot jeden Rahmen.
Guter Dinge zog ich mit ihm los. Eine 8-Meter Flexileine war an seinem Geschirr befestigt. Da er ja ganz neu bei uns war durfte er nicht frei laufen – wir mussten uns ja erst mal kennenlernen. Die Flexileine war kurz eingestellt, damit er nicht auf die Straße laufen konnte. Am Main, nicht weit von unserem Zuhause angekommen, gab ich die Flexileine auf volle Länge frei. Es machte „Klack“ und wenige Sekunden später flog ich ein paar Meter hinter Loriot her. Der hatte natürlich sofort die Chance genutzt und einen 8-Meter Vollsprint hingelegt. Der Rest des Spaziergangs verlief an festgestellter, kurzer Leine. Zu Hause angekommen wurde die Rollleine verbannt und für die folgenden Spaziergänge eine normale Führleine sowie für den Freilauf eine Schleppleine genutzt.
Nein, natürlich lief er an der Schleppleine auch nicht einwandfrei und bretterte des Öfteren in die 10- Meter Leine. Ich erinnere mich auch hier gut, wie oft wir „EEEEENDEEE“ gerufen haben, kurz bevor er das Ende der Leine erreichte – um ihm mitzuteilen, dass es gleich einen Ruck gibt und in der Hoffnung er würde abbremsen. Das tat er mal mehr, mal weniger. Es war ein langwieriger Prozess. Mit der Zeit lernten wir, wie man einen sicheren Stand bewahrt, bevor es zum Ruck kommt. Doch natürlich gab es auch die ein oder andere Pirouette, die ich gedreht habe oder auch den ein oder anderen Sturz.

Loriot als junger Hund
Zu Hause war Loriot ebenfalls ein sehr aufgeregter und vor allem kreativer Junghund. Alleine bleiben mochte er gar nicht. In dieser Zeit dekorierte er gerne die Wohnung um, öffnete Ketchup-Flaschen oder drehte von Cola-Flaschen den Deckel ab. Klaute Dinge von der Arbeitsplatte oder zerstörte das ein oder andere Schulbuch (ja, die Aussage, der Hund hat das Deutschbuch zerkaut war keine Ausrede ;-)). Loriot forderte viel Aufmerksamkeit und wollte vom Kopf her beschäftigt werden. Wenn er dies nicht bekam, suchte er sich seine Aufgaben.
Experte im Quietschie-Ausbauen war Loriot auch. Spielsachen hielten bei ihm nie sonderlich lange. Und wenn mussten sie echt robust sein – z. B. aus Hartgummi.
Musikalisch war Loriot auch. Allerdings nur für ein besonderes Lied. Meine Mutter sagte mir, dass während ich in der Schule war, Loriot immer zu einer bestimmten Uhrzeit aufgeregt bellen würde. Wir wussten beide nicht weshalb und gingen verschiedene Szenarien durch. Doch kamen auf keine passende Ursache. Bis ich eines Morgens von meinem Radiowecker geweckt wurde und das Lied „Somebody that I used to know“ von Gotye gespielt wurde. Loriot stand quasi senkrecht im Bett, bellte, raste durch die Wohnung. Das wird für immer „sein Lied“ bleiben. Die ersten Klänge bereits brachten ihn zum Wuffen und triggerten irgendwas in ihm. Dies war bei keinem anderen Lied der Fall.
In Sachen Hundeschule war unser erster Anlaufpunkt ein Junghundekurs zum Grundgehorsam. Der Gruppenkurs bestand aus praktischen Übungen und einer Freilaufeinheit. In dieser Freilaufeinheit wurde der Trainingsplatz mit einem Gitter in zwei Teile unterteilt. Die Hunde wurden nach Größe aufgeteilt und durften miteinander frei laufen. Loriot war seine Gruppe meist zu langweilig, so dass er beschloss über das Gitter zu hüpfen. Aus der Reihe tanzen konnte er schon damals gut… Den Vogel schoss er ab, als er während die Trainerin uns etwas erklärte, er kurz an ihr schnüffelte und dann zielgerichtet ihren Gummistiefel anpinkelte. Erdboden öffne dich! 😉
Loriot war insgesamt ein unerschrockener Hund. Zu Beginn hatte er ein großes Thema mit Kindern. Die fand er ziemlich blöd, sprang an der Leine zu ihnen hin und bellte sie an. Mithilfe einer tollen Trainerin bekamen wir dieses Thema schnell in den Griff. Ein echter Kinderfreund war er zwar bis zum Schluss nicht, aber er war ruhig in deren Anwesenheit.
Nach dem Junghundekurs wechselten wir in einen Hundeverein, nahmen am Agility-Training teil und trainierten für die Begleithundeprüfung – um im Anschluss an Agility-Turnieren teilnehmen zu dürfen. Seine Karriere war allerdings nicht besonders lang.

Agility

Er hatte Spaß, er war nicht der schnellste und für eine Bracke garnicht mal so schlecht. 😉
Als wir Loriot zu uns holten hatte ich noch ein paar Hunde aus der Nachbarschaft, mit denen ich regelmäßig spazieren ging. Dies war ein Grund, weshalb ich explizit nach einem Hund geschaut habe, der sozialverträglich ist. Das brachte Loriot anfangs auch mit. Spaziergänge zusammen mit den anderen Hunden waren fein. Auch fremde Artgenossen, die wir unterwegs trafen waren kein Problem. Allerdings änderte sich sein Verhalten mit etwa 2-3 Jahren. Loriot wurde erwachsen. Raus aus den Junghundepfoten. Spiel war nicht mehr nur Spiel, sondern ein Kräftemessen.
Damals konnte ich das noch nicht so lesen wie heute. Im Nachhinein hätte ich so vieles anders gemacht – aber es ist der erste Hund gewesen. Die ersten Pöbeleien traten auf und summierten sich. Er hatte seine Handvoll an „Hundekumpels“ – die Hunde, die er von klein auf kannte. Fremde Hunde wurden nach Sympathie eingeordnet.
Ob im Freilauf oder angeleint – er pöbelte seine Artgenossen heftig an. Ich las mich ein in die Thematik, probierte vieles aus.
So wirklich fruchtete nichts. Es war frustrierend.
Loriots Aggressionsthematik entwickelte sich parallel zu dem Besuch im Hundeverein. Das heißt, auch dort wurde es zunehmend schwieriger mit ihm. Trainerinnen, die augenrollend zusahen, wie ich den in der Leine hängenden Loriot versuchte zu beruhigen, wollten mir zeigen, wie ich es machen muss. Sie nahmen mir die Leine aus der Hand und drehten nun selbst Pirouetten mit Loriot, bis sie mir kopfschüttelnd den immer noch aufgeregten Hund zurückgaben. Eine Lösung hatten sie nicht.
Loriot war immer ein spezieller Hund. Ich erinnere mich an ein Seminar, bei dem jeder eine Hundebox für seinen Hund mitbringen sollte, damit der Hund während des Theorieteils darin warten kann. Welche Box (es handelte sich um eine faltbare Stoffbox) rollte sich samt Hundeinhalt über den Trainingsplatz? Richtig… es war Loriot. Nie mehr ohne Erdanker.
Auch angebunden sein hielt er für völlig unangemessen. Viele Kurzführer hat er aus normalen Führleinen gebastelt. Zuletzt war er der einzige Hund im Verein, der (wenn er mal kurz warten musste) an einer Kette festgebunden war.
Erfolgreich schlossen wir tatsächliche die Begleithundeprüfung ab. Auch hier erinnere ich mich an unseren Prüfungstag. Wir waren das erste Team, welches den Teil auf dem Trainingsplatz absolvierte. Man läuft hier mit dem Hund ein bestimmtes Schema ab – Fußgehen, Freifolge, Ablage etc. Ich bin mit Loriot an den Start und lief das Schema ab. An einem Winkel war er abgelenkt, aber auf eine kurze Ansprache von mir, lief er wieder mit. Auf dem Rückweg genau das gleiche an dieser einen Stelle. Die Prüfer schauten nach unserem Durchgang nach, was an diesem Winkel war und entdeckten eine tote Maus. Unfassbar, dass Loriot diese liegen ließ. Normalerweise hätte er sie sofort verspeist und wäre gar nicht erst weiter. Es war verrückt. Die Prüfer entsorgten die tote Maus.
Das Team, welches nach mir startete hatte an dem Winkel das gleiche Problem. Doch dieser Hund ließ sich nicht von der Stelle abbringen und das Team fiel durch die Prüfung. Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment denke. Loriot hat sich so zusammengerissen, vermutlich durch meine Nervosität spürte er, dass es gerade auf irgendwas ankommt. Und er hat es geschafft. Ich war unglaublich stolz.
Nicht alle Tage waren so toll. Loriot hat mich oft an meine Grenzen gebracht. Häufig kam ich vom Training oder auch von Spaziergängen weinend zurück. Verzweifelt, wütend, frustriert. Dieser Hund wollte nicht so, wie ich. Er hatte seinen eigenen Kopf. Charaktertypisch für seine Rasse. Eigenständigkeit – das Treffen eigener Entscheidungen liegt in seinen Genen.
Aber nicht nur mich brachte er an seine Grenzen, auch diverse Hundetrainer.
Anfang 2014 begann ich die Ausbildung zur Hundetrainerin – mit Loriot an meiner Seite. Er begleitete mich zu den Praxis-Tagen. Und auch hier wurde mir für seine Aggressionsthematik kein funktionierendes Werkzeug an die Hand gegeben. Selbst die Ausbilder probierten sich an ihm aus.
Loriot hat nie einen anderen Hund ernsthaft verletzt. Womöglich lag das auch daran, dass wir Hundebegegnung zum Großteil sehr gut managten oder einen Maulkorb nutzten.

Auf einem Seminar
Bei Rauferseminaren und Seminaren zum Thema innerartliche Aggression waren Loriot und ich viele Male dabei. Ich wollte mehr wissen und verstehen, weshalb Loriot so ist wie er ist. Mit jedem Seminar bekam ich neue Bausteine. Neue Methoden. Neue Erkenntnisse. Es gab nie, „die eine“ Erkenntnis. Es war tatsächlich ein langer Prozess.
Trotz Loriots „Special Effects“ erlebten wir eine Menge toller Dinge zusammen. Er hat jeden Mist mitgemacht. Er liebte es zu wandern, verschlungene Pfade zu erkunden, neben dem Rad zu laufen und wenn es ganz heiß war, auch zu schwimmen. Berge, hügelige Landschaften und große Wiesen waren seine Favoriten. Wenn wir als Familie unterwegs waren, war es seine Aufgabe zu schauen, dass alle beisammen blieben – sollte sich jemand aus der Gruppe entfernen, blieb er zwischen der Person, die zurückblieb und der weiterlaufenden Gruppe stehen und schloss erst auf, wenn die Person weiterging. Ich konnte ihn zu jeder Nachtzeit wecken und wir sind des Öfteren aufgebrochen zum Nacht-Geocachen. Er war glücklich, wenn er dabei war. Wenn es möglich war, begleitete er mich auf die Arbeit ins Büro und später auch in die ein oder andere Trainingsstunde.
Ein weiteres Hobby von Loriot war das Fressen. Und das Klauen von Fressbarem. Dabei war es egal was es ist. Dieser Hund klaute wie ein Rabe. Du hast das Toastbrot nicht von der Arbeitsplatte geräumt? Jetzt hat es Loriot gefressen. Du hast ein Schokobrötchen in deinem Rucksack vergessen? Jetzt ist es weg. Dein Schoko-Adventskalender hängt nicht auf 2,50 m Höhe? Jetzt ist er leider leer. Der Badezimmer Mülleimer wurde nicht rechtzeitig geleert? Auch ein guter Snack… Einige Male waren wir mit diesem Hund in der Tierklinik, um ihn erbrechen zu lassen. Leckerlis im Pulli oder Hosentaschen vergessen oder es zu wagen ein paar Krümel in diesen noch zu haben, bedeutete mitunter einen neu designtes Kleidungsstück mit heraus gefressenem Loch zu haben.
Mit der Zeit merkten wir aber auch, was er alles verträgt. Das heißt nicht, dass wir absichtlich Dinge haben rumliegen lassen. Aber man weiß, dass er von einem Schokobrötchen nicht stirbt. Meine Tierärztin hat den einen oder anderen Anruf erhalten, weil Loriot entweder eine ganze Packung Schmerzmittel oder Allergietabletten verschlungen hat. Selbst die Tierkliniken haben teilweise nach Studien gesucht, was und wie viel mg von Allergietabletten Hunde „vertragen“ und ob dies böse enden könnte. „Bisher wurden Tests nur an Hunden bis 10kg vorgenommen. Es könnten ihm Furunkel wachsen – ansonsten dürfte es gut gehen“ – alles klar. Kein Furunkel gewachsen. 😉

Loriot mit einem Fundstück aus dem Wald (Rehgebiss)
Als Bracke war das Jagen natürlich auch Loriots Leidenschaft. Und die kam nicht zu kurz.
Leider konnte er hier auch einige Erfolge verbuchen. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, wäre ich von Beginn an anders mit ihm umgegangen. Aber auch ich war mal jung und unwissend. 😉 Wir ließen zu Beginn u. a. zu, dass er durch den Wald seine Streifzüge unternahm. Ein junger Hund muss sich ja schließlich auch bewegen. Und er kam immer zurück…
Mit meinem heutigen Wissen ein No-Go. Irgendwo muss die Erfahrung aber schließlich herkommen.
Spätestens nach einem Rehkitz, welches Loriot in seinen jungen Jahren im Urlaub mit meinen Eltern riss und dies immer weiter Richtung Ortsmitte trug (kostete damals 100 Euro und wurde vom örtlichen Jäger abgenommen), wurde das Jagdkontrolltraining intensiv angegangen. Auch hier probierten wir einiges aus und konnten schlussendlich Loriot von der Schleppleine wieder guten Gewissens in den Freilauf lassen.
Was aber immer blieb war sein Instinkt verweste oder teilverweste Tierkadaver oder Schädel, Gliedmaßen etc. von Wildtieren zu finden. Es war verblüffend, was er uns alles brachte… und oft auch sehr eklig.
Mit Loriot wurde es nie langweilig. Er war ein Hund der mich lehrte: Wenn du eine Sache gut im Griff hast und glaubst alles ist gut, kommt mit Sicherheit eine neue interessante Verhaltensweise hinzu.
Ich arbeitete mit ihm viele Jahre intensiv am Thema Hundebegegnungen. Wir wuchsen immer mehr zusammen und wurden zu einem richtig guten Team. Er lernte mehr auf mich zu achten und ich lernte, wie ich mich verhalten musste, damit er auf mich achtete. Kein leichtes Unterfangen. Hundebegegnungen wurden besser und besser.
Im Freilauf nur gesichert mit Maulkorb oder bei bekannten Hunden auch ohne Maulkorb. Angeleint konnten wir immer mehr Hunde passieren, ohne dass Loriot explodierte.
Und dann kam der Moment, wo er nach unserem Nachbarn schnappte. Ein Loch in seinem Hemd und Unterhemd. Ein großer Schock. Der Nachbar wollte ihn streicheln, kam dazu vor unsere Haustür, beugte sich über Loriot und schon war es geschehen. Sowas macht natürlich was mit der Beziehung zum Hund. Das Vertrauen ist erst mal weg. Die Freiheiten, die Loriot hatte wurden erst mal eingeschränkt. Denn er versuchte auch auf den Spaziergängen hin und wieder nach Passanten und Joggern zu schnappen.
Eins war klar: Loriot wird nie der Hund sein, der einfach unbeschwert durch die Gegend läuft. Dafür ist er nicht der Typ.

Unser erster Urlaub zu Dritt an der Nordsee
2018: Loriot war 9 Jahre alt. Ich machte mir Gedanken über einen Zweithund. Der Wunsch war schon länger da, aber durch Loriots wählerische Kompatibilität mit anderen Hunden, blieb es lange Zeit bei einem Wunsch. Ich entdeckte Mitte 2018 eine rumänische Straßenhündin im Internet. Ca. 1,5 Jahre jung. Loriot hatte ein Faible für junge Hündinnen. Deshalb war klar, wenn ein Zweithund einziehen sollte, dann eine junge Hündin. Und so lernten wir Wilma kennen. Voraussetzung für ihren Einzug war, dass Loriot sie mochte. Bei einem ersten Kennenlernen gab es keine Komplikationen zwischen den beiden, so dass sie im Oktober 2018 bei uns einzog.
Zu Hause sah es dann ein bisschen anders aus. Loriot begrenzte Wilma in allem was sie tat. Es war eine sehr schwierige Phase. Ich musste nahezu alles managen. Ressourcen waren Loriot extrem wichtig. Er sah mich, Futter, Spielzeug und gewisse Liegeplätze als seine Ressource.
Draußen beim Spazieren war es zwischen den beiden größtenteils entspannt. Nur drinnen gab es Schwierigkeiten.
Er und ich hatten großes Glück mit Wilma. Durch ihre aufgeschlossene Art und ihr nicht nachtragendes Wesen schaffte sie es immer mehr, sich in Loriots Herz zu schleichen. Auch wenn es eine Auseinandersetzung zwischen den beiden gab – wenige Minuten danach stand Wilma wieder vor Loriot und spielte ihn an.
Bis die beiden richtig gut miteinander waren und ich auch Ressourcen frei liegen lassen konnte, dauerte es allerdings mindestens 1 Jahr.

Mit Lieblings-Urlaubsgast Paula
In der ersten Zeit als Wilma hier war hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich nicht gut. Schlecht gegenüber Wilma, dass sie solchem Stress ausgesetzt war und schlecht gegenüber Loriot, dass er nun alles teilen musste. Im Nachhinein (ja, da ist man immer schlauer) war es die beste Entscheidung. Die Zeit, die die beiden gebraucht haben, um „ein Kopf und ein Arsch“ zu werden war es Wert. Ganz besonders für Loriot. Er orientierte sich im Alter extrem an Wilma, suchte oft ihre Nähe. Beim Spazierengehen folgte er ihr, schnüffelte dort wo sie war, fraß die Maus, die Wilma aus einem Mäuseloch beförderte oder rannte mit ihr eine Runde. Ohne Wilma wäre er mit Sicherheit nicht so lange aktiv und mobil gewesen. Und auch was Hundekontakte anging hat Wilma ihn in großen Maßen beeinflusst.
Wenn Hunde zusammen in einem Haushalt leben, müssen sie öfter zurückstecken oder sich mal hinten anstellen. Es gibt geteilte Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu einem Einzelhund. Das machte eine Menge mit Loriot. Nicht immer Nummer 1 zu sein war anfangs schwer für ihn auszuhalten, hat ihn aber sehr weit gebracht.
So konnten wir in den letzten Jahren sogar des Öfteren einen Gasthund zur Urlaubsbetreuung bei uns aufnehmen. Früher wäre das undenkbar gewesen. Auch auf Spaziergängen konnte ich ihn mit ausgewählten Hunden zusammenführen. Nach erster Absicherung mit Maulkorb später auch ohne. Er war einfach so toll geworden.
Durch seine neu gewonnene, aufgeschlossene Art rückte mein Wunsch nach einem weiteren Hund in den Vordergrund. Als Loriot 13 Jahre alt war hatten wir uns schon nach Züchtern umgeschaut und überlegt, welche Rasse es werden soll. Doch für mich war klar: Loriot sollte nur mit Wilma alt werden und in seinem letzten Lebensabschnitt nicht nochmal die Aufmerksamkeit teilen müssen. Als er nun aber immer offener auch mit den Gasthunden wurde, nahm ich wieder Kontakt zu Züchtern auf und lies mich auf die Warteliste für einen Welpen setzen. Mitte April 2025 wurde die Hündin trächtig und wir ganz aus dem Häuschen. Loriot ging es zu diesem Zeitpunkt sehr gut und ich war bereit, das Abenteuer Welpe und Althund aufzunehmen. Es sollte jedoch alles anders kommen.
Für Loriot waren Bälle das Größte – egal ob Tennisball oder Fußball. Auch eine Sache, die ich heute definitiv nicht mehr so machen würde.
Wir spielten viel mit ihm Ball – das typische Spiel: Ball werfen, Hund rennt hinterher und bringt den Ball zurück. Völlig Gaga. Wenn wir nicht schnell genug den Ball geworfen haben wurde der Herr unleidig und blaffte uns an. Für ihn war es natürlich eine körperliche Auslastung – aber auch ein sinnloses Freischalten und Hetzen – also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was wir von ihm am Wild verlangen.
Das führte leider dazu, dass Loriot sobald er einen Ball sah, diesen sofort hinterher rennen musste. Blöd nur, wenn auf einer Wiese gerade Kinder mit einem Ball spielen. Präzise hat er einmal einem Kind den Ball aus der Hand geschnappt – und zerstört. Zum Glück waren das Kind und sein Vater sehr entspannt und freundlich. Doch so etwas darf einfach nicht passieren.
Auch hat ein Tennisball ihn mit 14 Jahren fast das Leben gekostet. Er fand diesen am Strand an der Ostsee und trug ihn mit sich herum, lies ihn fallen, nahm ihn wieder auf. Dadurch nahm er blöderweise unbemerkt soviel Sand auf, dass dies fast zu einem Darmverschluss führte. Er hatte eine sogenannte Sandkolik. Zu diesem Thema habe ich einen gesonderten Blogartikel (Sandkolik beim Hund) verfasst.

Wenns ums Apportieren / Suchen ging war Loriot sofort dabei
Jeder, der einen alten Hund hat und viel Zeit mit ihm verbracht hat, kennt dieses Gefühl bestimmt: das tiefe Verständnis füreinander, bei dem man die Bedürfnisse des anderen genau kennt. Ein eingespieltes Team zu sein und so viel gemeinsam erlebt zu haben. Diese besondere Bindung ist unglaublich intensiv und wächst mit jeder gemeinsamen Erfahrung.
Ich hätte Loriot gerne mit seiner Weisheit im letzten Viertel seines Lebens noch weitere Jahre gehabt. Er wusste was er wollte (das wusste er früher natürlich auch), aber er wusste auch, dass man nicht wegen jedem bisschen aus der Hose hüpfen muss. Er hatte eine richtige „Coolness“ bekommen. Ich bin dankbar, dass wir die letzte Zeit so gut genießen konnten.
Bis zum Schluss ging es ihm altersentsprechend gut. Er hatte keine großen Vorerkrankungen. Was ihn am meisten belastet hat, war das riesige Fettlipom an seinem Oberschenkel und die nachlassende Kraft in der Hinterhand. Sein Kopf war zur Hälfte eingefallen – Grund dafür unbekannt. Loriot war kein Hund, der sofort zeigt wenn er Schmerzen hat. Er rannte in jungen Jahren durch Dornengestrüpp und kam blutend, aber glücklich zurück von seinem Jagdausflug. Was ich sagen möchte ist, dass ich nicht genau weiß, ob und wie doll er Schmerzen hatte. Wenn sie extrem gewesen wären, hätte er das mitgeteilt.
Seine letzten 1,5 Jahre war er fast komplett taub. Die Kommunikation belief sich hauptsächlich auf Gesten und Berührungen. Trotzdem war er mit Begeisterung dabei, wenn wir im Urlaub an der Ostsee waren oder im Sauerland und er sich im Garten den ganzen Tag sonnen konnte. Auch wollte er im Alter noch beschäftigt werden. Wenn ich mit Wilma Dummyarbeit machte, wollte er unbedingt auch mitmachen und natürlich durfte auch er noch ein paar Dummys suchen und stolz apportieren. Wenige Tage vor seinem Tod schmetterte er auch noch seinen mit Leckerlis gefüllten Ball durch die Gegend.

Unser letzter gemeinsamer Ausflug im Zoo – „Waschbären gucken“
Dafür, dass Loriot damals im Tierheim der einzige Hund war, welcher nicht gebellt hatte, holte er dies im Alter nach. Sein Haupt-Kommunikationsmittel war das Bellen. Bellen wenn er Hunger hatte, Bellen wenn er nicht wusste, wo er sich hinlegen soll, Bellen, wenn er Aufmerksamkeit wollte, Bellen wenn er aus dem Garten wieder ins Haus wollte – oder wenn er hereingebeten werden wollte, Bellen, wenn er sich lösen musste, Bellen, wenn er ins Bett wollte und auch nachts Bellen, einfach so ohne ersichtlichen Grund. Die letzten zwei Jahre waren für uns mit wenigen Nächten gesegnet, in denen wir durchschlafen konnten. All das sind Dinge, die unterbewusst ganz schön schlauchen. Aber man tut sie aus Liebe dem Vierbeiner gegenüber immer und immer wieder.
Mit 16 Jahren und 2 Monaten mussten wir Loriot gehen lassen. Es war einer der schlimmsten Momente meines Lebens. Ich habe dieses Tier über alles geliebt. So schwierig die Zeiten mit ihm oft auch waren – oder auch gerade deshalb. Er war einfach mein Loriot und wird immer unvergessen bleiben.